„Haut so weiß wie Schnee, Lippen so rot wie Blut, Haare so schwarz wie Ebenholz“ – so lautet die Beschreibung Schneewittchens im Märchen der Gebrüder Grimm. Schönheit liegt ja bekanntlich im Auge des*der Betrachter*innen. Aber in Filmen und Serien sind vor allem diejenigen die Hauptfiguren, die gängigen Schönheitsidealen entsprechen oder so beschrieben werden. Von klein auf an, lernen wir, dass Schönheit Vorteile mit sich bringt.
Heutzutage ist es vor allem in der glitzernden Social Media Welt wieder zu finden. Nicht ohne Grund ist Kylie Jenner eine derjenigen mit den meisten Follower*innen auf Instagram (Stand Mai 2022), denn sie entspricht für viele dem gängigen Schönheitsideal aus der Werbung oder Filmen. Ist sie auch deswegen besonders erfolgreich? Das Wort „Pretty Privilege“ klingt in diesem Zusammenhang eher zynisch, da man von einem Privileg einer Frau ausgeht, die für dieses Ideal viele Schönheitsoperationen hinter sich hat.
Schön= bevorzugt?
Der Begriff „Pretty Privilege“ beschreibt den Vorteil derjenigen, die dem gängigen Schönheitsideal entsprechen und deswegen in vielen Lebenslagen bevorzugt behandelt werden. Damit stehen sie im Gegensatz zu den als nicht so schön eingestuften Menschen, die demnach Nachteile im Job oder im Privatleben haben. Das gilt übrigens für alle Geschlechter. Schönheitsideale werden dabei wie immer von vielen Einflussfaktoren geprägt, wie Sexismus, Rassismus und Sozialisation.
Man bedenke nur die meisten Dating Apps, bei denen man erst das Foto sieht und dann den Menschen kennenlernt. Im Schnitt erhalten diejenigen mehr Treffer (Matches), die dem gängigen Schönheitsideal entsprechen, so eine Studie der Psychologin Dr. Sandra Wheatley. Die Attraktivität eines Menschen bleibt subjektiv, aber es scheint zumindest beim hetero Dating gängige Schönheitsideale zu geben, die viele Menschen anzieht. In der Studie zeigten 73 % der Bilder, die mit Wörtern zum Thema „Schönheit“ versehen waren, eine weiße Frau. In 88 % dieser Bilder wurde die Frau als schlank, mit langen Haaren und geschminkt dargestellt. Diese Voreingenommenheit (auch Lookism genannt), findet sich bei einer Vielzahl von Situationen im sozialen Umfeld oder auch im Job. Anders als bei Bodyshaming geht es bei diesem Begriff des „Pretty Privilege“ vor allem um die äußere Erscheinung, die einem Privilegien bringt, während Bodyshaming stärker den Körperbau eines Menschen diskriminiert.
Im Alltag ein Problem für alle?
Ich hatte bereits die Probleme bei der Partnersuche als Beispiel angeführt. Unsere Talente, unser Wesen und unser Charakter spielen bei vielen Onlinedating-Apps erstmal keine Rolle, sondern das Aussehen (es sei denn, man hat einen suuuper tollen Text über sich geschrieben, der den eigenen Charakter realistisch darstellt). Auch auf dem Arbeitsmarkt gibt es für einige mehr Hürden als für andere. Das geht schon beim Bewerbungsgespräch los. Wenn Personalverantwortliche jemanden einstellen müssen, dann möchte man auch eher dem Idealtypus entsprechen. Sonst hat man vielleicht mit anderen Vorurteilen zu kämpfen. Markus Mobius und Tanya Rosenblatt (2006) fanden in einer Studie zudem heraus, dass physisch attraktive Mitarbeiter*innen besseres Gehalt bekommen als ihre in der Mainstream Meinung nicht so attraktiven Kollegen. Die Studie heißt übrigens passenderweise „Why Beauty matters“ (Warum Schönheit zählt). Attraktive Menschen werden als sozial kompetenter, intelligenter und mit besseren mündlichen Kommunikationsfähigkeiten wahrgenommen, was ihnen im Job hinsichtlich der Karriere weiterhilft.
Jetzt könnte mensch meinen, dass die Welt halt so läuft und einige halt als schön wahrgenommen werden und andere nicht. Die Problematik liegt aber darin, dass ihnen oft bessere Attribute zugeschrieben werden, als sie vielleicht in Wirklichkeit haben. Da liegt dann die Ungerechtigkeit, weil sie vielleicht im Job eher befördert werden als ein unattraktiverer Mensch mit gleichen oder besseren Fähigkeiten. Das ist ein riesiges Problem, das mit dem Begriff wenigstens benannt werden kann. Das Privileg der Schönen zeigt die Ungerechtigkeiten unserer heutigen Gesellschaft auf, wobei nicht pauschalisiert werden darf. Nicht jeder Mensch, der dem Schönheitsideal entspricht, ist auch gleichzeitig bevorteilt im Alltag und umgekehrt. Eine israelische Untersuchung hatte 2012 die Erkenntnis zutage gefördert, dass attraktive Frauen deutlich seltener zu einem Vorstellungsgespräch eingeladen werden als attraktive männliche Mitbewerber oder Frauen mit einem durchschnittlichen Äußeren. Das passiert aber vor allem in weniger begehrten Jobs. Schöne Menschen assoziiert man also anscheinend nur mit begehrten, prestigeträchtigen Jobs.
Social Media – Schönheitsbilder à la Kylie Jenner?
„Pretty Privilege“ begegnet uns also oft im Alltag. In Zeiten von Sozialen Medien kommt aber auch andere Blickwinkel hinzu. Schönheitsideale gibt es natürlich schon länger, aber durch Filter, Instagram Models und Influencer*innen hat die Preisung der Schönheit eine neue Ebene erreicht. Viele Influencer wie Gigi Hadid, Kylie Jenner oder Bianca Claßen entsprechen der traditionellen cis-gender, eurozentrischen Schönheit, die oft jugendliche, kaukasische Gesichtszüge, einen schlanken Körper, weiße Haut und symmetrische Gesichtszüge hat. Je mehr man diesem Typen ähnelt, die wir in der Zeitung, der Werbung und dem Fernsehen sehen, desto erfolgreicher kann man werden. Alle drei haben sich auf ihre Weise vermarktet und sind in ihren jeweiligen Ländern sehr erfolgreich. Hinzu kommt die Problematik von Filtern, die dem Gesicht andere Züge geben und sich großer Beliebtheit erfreuen. In den letzten Jahren gab es besonders bei Instagram Usern immer mehr Aufrufe zur Natürlichkeit, aber dennoch lässt die Reichweite für Diversität zu wünschen übrig.
Es gibt in dieser Hinsicht also noch viel zu tun, dass Menschen mit einem Schönheitsideal nicht mehr Privilegien bekommen als andere. Wenn dies erreicht werden soll, dann muss ein grundsätzliches Erkennen dieses Zustandes („Ist er*sie aufgrund des „Pretty Privilege“ in der Situation?“) durch die Nutzer*innen erfolgen. Vielleicht folgt man dann eher denjenigen, die nicht so durchgefilterte, perfekte Bilder einstellen, aber dafür interessanten Inhalt haben. Ein Beispiel ist Annemarie von „todayis_de„, die Nachhaltigkeit, Gleichberechtigung und Foodsaving als zentrale Themen hat. Neben Info Posts, gibt es auch allerhand natürliche Bilder von ihr und ihrem Hund unter dem Hashtag #mehrrealitätaufinstagram.
Soziale Medien verstärken den Effekt des Pretty Privilege deutlich und zeigen vielen auf, dass sie nicht dem Ideal entsprechen. Sie haben in sozialen Medien auch vielleicht auch Anfangsschwierigkeiten sich selber oder ihr eigenes Business zu etablieren und müssen mehr für die Aufmerksamkeit kämpfen. Und wir wissen alle, dass Aufmerksamkeit und Follower das höchste Gut auf diesen Plattformen sind. Schönheit verspricht Erfolg und Privilegien, die nirgendwo so deutlich sind wie in sozialen Netzwerken. Und genau deswegen ist es wichtig, dass der Begriff „Pretty Privilege“ in diesem Zusammenhang diskutiert wird.
Pretty Privilege – für alle ein Nachteil?
Natürlich können Menschen, die einem bestimmten Schönheitsideal entsprechen nichts für die Privilegien und natürlich ist sich nicht jede*r dieser Problematik bewusst. Wir können aber eine Erklärung dafür finden, warum einige als schön gelten und andere wiederum nicht. Das macht es in vielerlei hinsichtlich auch für die vermeintlich „Schönen“ problematisch, da sie mit Vorurteilen zu kämpfen haben. Viele werden dann nur auf ihr Aussehen reduziert und nicht auf ihren Charakter oder was sie sonst noch zu bieten haben. Neben den gängigen Vorurteilen unter dem Begriff Sexismus, spielt dies auch eine Rolle beim Pretty Privilege. Auf der anderen Seite ist der Schaden für diejenigen höher, die nicht privilegiert sind. Sie werden in der Schule häufiger mit Mobbing zu kämpfen haben und haben im schlimmsten Fall auch neben Sexismus und weiteren Hürden, mit dem Privileg von vermeintlich hübscheren Menschen zu kämpfen. Der Ausdruck “ Pretty Privilege“ benennt dabei die Problematik und kann die strukturellen Ungerechtigkeiten gut darstellen.
Das Privileg der Schönen ist also ein ernsthaftes Problem der heutigen (und auch früheren) Gesellschaften. Ein universell anerkanntes Schönheitsideal scheint überflüssig in einer Zeit, in der wir über Diversität und Gleichberechtigung von vielen Körpern, Charakteren und dem Aussehen reden. Mehr diverse Bilder und Akzeptanz, dass jeder Mensch auf seine Art besonders schön ist, scheint ein erster Schritt in die richtige Richtung. In einer idealen Welt würden eh Äußerlichkeiten und Vorurteile keine Rolle spielen.
Larissa
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