Abendrundgang, Medikamente für den nächsten Tag stellen, Kurven schreiben, Station putzen – häufig wissen vor allem die Pflegekräfte in der Nachtschicht gar nicht, was sie zuerst machen sollen. Oder welche der vielen Aufgaben im Nachtdienst sie schlimmstenfalls nicht erledigen können, ohne dass der Frühdienst am nächsten Morgen allzu genervt ist. Denn wichtig ist jede der Aufgaben für eine funktionierende Station. Und genügend Zeit, um am Abend nochmal mit den Patient*innen zu reden oder sich ausreichend um Patient*innen mit besonderem Pflegebedarf zu kümmern, ist dabei noch nicht mal eingeplant.
Von Patient*in zu Patient*in
Allein ist das alles jedenfalls nicht zu schaffen. Laut ver.di Nachtdienstreport ist durchschnittlich eine Pflegekraft in der Nacht für 24 Patient*innen zuständig. Viel zu viel.
„Wir hetzen in den Diensten von Patientin zu Patient, machen kaum Pause, um zu trinken oder zur Toilette zu gehen. Wirklich Zeit für eine gute Versorgung der Patient*innen bleibt dabei kaum. Und so macht Pflege keinen Spaß. Es muss sich dringend was ändern, denn es ist nicht mehr fünf vor zwölf, sondern fünf nach.“
So beschreibt Ariane Müller ihre alltägliche Arbeitssituation. Sie seit mehr als 30 Jahren Krankenschwester auf einer Intensivstation und Mitbegründerin des Bündnisses für mehr Pflegepersonal in Bremen.
Fachkräftemangel in der Pflege ist hausgemacht
Die belastenden Arbeitsbedingungen, die hohe Arbeitsdichte und häufig wechselnden Dienstpläne sind nur einige der Gründe, weshalb immer mehr Pflegekräfte ihrem Beruf den Rücken zukehren, in Teilzeit arbeiten oder zu Zeitarbeitsfirmen wechseln. Der Fachkräftemangel ist schon heute spürbar. Mit Blick auf Kalifornien wird jedoch deutlich, dass er hausgemacht ist. Dort gilt seit 2003 eine gesetzliche Regelung zur Personalbemessung im Pflegebereich, die klar regelt, wie viele Patient*innen von einer Pflegekraft maximal betreut werden sollen. Die dadurch verbesserten Arbeitsbedingungen und die Möglichkeit, ihren Beruf wieder ihren eigenen Ansprüchen gemäß ausführen zu können, sorgte dafür, dass Pflegekräfte in ihren ursprünglichen Beruf zurückkehrten und ihre Stundenzahl wieder erhöhten.
Künftig mehr Abbau an Pflegepersonal?
In Deutschland hat Gesundheitsminister Spahn mehrere Verordnungen und Gesetzesregelungen auf den Weg gebracht, um auch hierzulande die Situation in der Pflege zu verbessern. So gelten ab 2019 Personaluntergrenzen für einige Abteilungen in Krankenhäusern. Diese Untergrenzen stellen jedoch ein gefährliches und sehr niedriges Minimum dar. Etwa 75 % der Kliniken liegen mit ihrer Personalausstattung darüber. Die Gefahr ist groß, dass diese Kliniken sich an den Untergrenzen orientieren und Pflegepersonal weiter abbauen. Die Regelung ist zudem nicht am Bedarf der Patient*innen orientiert, sondern regelt lediglich pauschal einen durchschnittlichen Pflegebedarf.
Volksbegehren für mehr Pflegepersonal
Deswegen gibt es neben den zahlreichen erfolgreichen Streikaktionen für Entlastung der letzten Jahre mittlerweile in mehreren Bundesländern Bündnisse für mehr Personal im Krankenhaus. So auch in Bremen. Hier soll durch ein Volksbegehren das Bremische Krankenhausgesetz so verändert werden, dass in Zukunft genügend gut ausgebildetes Pflegepersonal auf allen Stationen und Funktionsbereichen im Krankenhaus für die Versorgung der Patient*innen arbeitet. Und vor allem: orientiert allein am Bedarf der Patient*innen. Diese Personalstandards sollen laut dem Gesetzesentwurf des Volksbegehrens durch eine Expertenkommission weiterentwickelt und auf dem neuesten Stand der Wissenschaft gehalten werden. Außerdem sollen die Krankenhäuser offenlegen, ob sie sich an die Personalvorgaben halten oder nicht. Werden diese nicht eingehalten, so drohen den Krankenhäusern Sanktionen. Fest steht: So wie es jetzt ist kann und darf es nicht weitergehen. Besonders, wenn die Versorgung aller Patient*innen so gewährleistet sein soll, dass sie im Krankenhaus gesünder werden und nicht kränker.
Jennie Auffenberg und Pauline Wildenauer vom Bremer Bündnis für mehr Personal im Krankenhaus
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